Archiv für die Kategorie ‘Litauen’

In Lettland von Küste zur Küste

Sonntag, 12. August 2018

Am fünften Fahrtag sollte es über die Grenze nach Lettland gehen. Hierzu starteten wir zuerst in Litauen mit einer Ortsdurchfahrt von Polangen (Palanga). Einst war der südliche Teil der Stadt die Nordspitze des deutschen Ostpreußens. Heute ist dies einer der oder der größte lettische Urlaubs- und Partyort. So reihen sich Bars, Clubs und sonstige Etablissements aneinander. Es wurden gerade auf der Straße mit Kärcher und Pustefix die Hinterlassenschaften der letzten Nacht beseitigt. Das bereits erschiene Personal war wach, mehr aber auch nicht.

Bis kurz vor der Grenze radelten wir weiterhin auf den hervorragenden Fahrradwegen. Dann ging es auf die A13. Wir ahnten schon Böses, da es die höchste Kategorie von Straßen in Lettland darstellt. Eine Autobahn ist es jedoch zum Glück nicht, eher eine Bundesstraße, die nicht ganz so stark befahren ist wie bei uns. Auf diesem Straßentyp verläuft in Lettland ein Großteil der Euroveloroute. Exakt mit Grenzüberschritt durchfuhren wir auch die erste der diversen Etappenbaustellen. Mit Längen von 500 Metern bis 2 Kilometern sind sie ganz schön anstrengend. Zudem sind sie naturgemäß auf den Autoverkehr ausgerichtet, so dass man die Durchfahrt in der Grünphase nur in ca. 50 % der Fälle schafft. Wir ignorieren die Ampel mittlerweile in diesen Fällen konsequent, so dass sich die Baustellen ertragen lassen.

Da der fünfte Tag mit ca. 32 Grad der vsl. heißeste unserer Tour wird, sind wir bereits nach etwas über 70 Kilometern auf einen Zeltplatz direkt am Meer eingebogen. Wir brachten beides zusammen und sprangen auch nach Aufbau des Zeltes direkt am weißen Sandstrand in die Ostsee. Sehr erfrischend. Der Zeltplatz war etwas für die ganze Familie mit allem pipapo – 3 Spielplätze, Restaurant, Trampolinanlage, Streichelzoo usw. Darüber hinaus war er jedoch auch liebevoll mit maritimen Details und Kleinkunst ausgestattet, bspw. individuell gehäkelte Beringung eines Großteils der Bäume. Ist Geschmackssache. Ein lustiges Detail fanden wir im Entsorgungsbereich – unsere Tonne besieß oben einen Schlitz und drauf stand “Wahlbezirk Frankfurt am Main“. Auch eine Art, zu sagen, wie modern die Stimmabgabe in Deutschland ist. Zumindest im Nachbarland Estland kann man bereits seit 2005 seine Stimmabgabe elektronisch durchführen.

Vor den letzten drei Tagen in Lettland hatten wir Respekt, da einerseits noch eine große Strecke vor uns lag, andererseits für den drittletzten sowie letzten Tag in Lettland Regen vorhergesagt war. So wurden wir am nächsten Morgen auch direkt gegen Sechs von einem kräftigen herannahenden Gewitter geweckt. Wir versuchten noch schnell, alles zusammenzupacken, schafften es jedoch leider nicht. Somit flüchteten wir unter etwas festere Bausubstanz und packten anschließend das klitschnasse Zelt ein. Der Tag blieb unbeständig, wir schafften jedoch ob guten Timings unserer Pausen eine größere Strecke im Trockenen. Auf unserem Weg lagen die beiden größeren Orte Libau (Liepaja) und Paulshafen (Pavilosta). Zu beiden gibt`s nicht viel zu sagen. Man sieht hier, dass Lettland der ärmste der drei baltischen Staaten ist. Der Lack ist zumeist ab, und dies optisch bereits die letzten dreißig Jahre. Bei Libau kommt jedoch verschärfend hinzu, dass die Stadt zur Zeit der russischen Okkupation wg. des Militärhafens vom Umfeld abgeschnitten war. Davon erholt es sich offensichtlich bis heute nur schwer.

Am siebten Tag fuhren wir ins Landesinnere, zuerst durchs Kurland. Landschaftlich erinnert’s zumeist an die Mecklenburger Schweiz mit einer Überwürzung an Nadelwald. Im Kurland hielt sich die deutsche Wehrmacht mit den Letten an ihrer Seite bis zur Gesamtkapitulation noch gegen Russland. Die Letten kämpften sogar nach dem Krieg noch bis 1953 aus den Wäldern heraus weiter. Zumindest die Letten sind hier auf ihre “Helden“ stolz, wie man es das eine und andere Mal auf historischen Hinweisschildern am Straßenrand lesen kann. Sehenswert ist im Kurland auf jeden Fall Goldingen (Kuldiga) mit seinem historischen Kern. Ist hier erstmal der Großteil saniert… können die Einwohner sich vor Touristen vmtl. kaum noch retten. Durch den Ort führt auch das Flüßchen Windau (Venta). Aus dem Ort heraus ergibt sich ein traumhafter Blick auf den fast 300 Meter breiten Wasserfall. Am Ende des siebten Tages stoppten wir mangels Alternativen auf einem wilden Campingplatz bei den Wasserfällen Abavas Rumba. Somit ging es statt unter die Dusche in den Fluss und in Erwartung des nächtlichen Regens zeitig ins Zelt.

Am achten Fahrtag und damit letzten in Lettland hieß unser Reiseziel Mersrags am Rigaischen Meerbusen. Wir hatten zum Glück nur 70 km zu bewältigen. Da das Wetter sehr wechselhaft war und wir mehrmals nass wurden, war dies jedoch auch gut so. Unterwegs durchfuhren wir die Stadt Talsi. Hier gab es heute ein Mountainbikerennen für Kinder, welches insbesondere durch die Eltern zelebriert wurde. Carsten überlegte kurz, mit an den Start zu gehen – inkl. Gepäck. Ansonsten ergab sich auf der heutigen Tour ein ähnliches Bild wie gestern im Kurland. Damit ist unser Weg in Lettland nun beendet und morgen gehts auf den gecharterten Ausflugskutter Palsa auf die kleine Insel Ruhnu. Den Kahn haben wir im Hafen bereits entdeckt und so sind wir guter Dinge, dass wir morgen früh um 8 losschippern können.

Grenzübertritt nach Lettland inkl. erster Baustelle

Grenzübertritt nach Lettland inkl. erster Baustelle

Erster Campingplatz in Lettland direkt am Strand

Erster Campingplatz in Lettland direkt am Strand

Marktplatz Goldingen

Marktplatz Goldingen

Breiter Wasserfall in Goldingen

Breiter Wasserfall in Goldingen

Trocknen des Zeltes bei Ankunft

Trocknen des Zeltes bei Ankunft

“Luxusunterkunft“ in Mersrags

“Luxusunterkunft“ in Mersrags

Bye bye Beton, hallo Natur

Mittwoch, 08. August 2018

Am dritten Fahrtag unserer diesjährigen Tour starteten wir bei unserem Hotel zentral in Kaliningrad. Gen Norden gibt es nicht so richtige kleinere Ausfahrtsstraßen. So entschieden wir uns zw. Pest und Cholera und fuhren nach Nord-Westen auf einer streckenweise sechsspurigen Straße aus der Stadt. Nach ca. fünfzehn Kilometern waren wir froh, auf eine kleinere Landstraße einbiegen zu können. Aber auch hier musste man höllisch aufpassen, da wir trotz Gegenverkehr generell stets überholt wurden. Aber wir leben ja beide noch. So peikten wir die ersten 35 km auch ohne Pause bis zum russischen Küstenbadeörtchen Selenogradsk durch. Einfach nur potthäßlich – über die Ostsee betonierte Promenade, betonierte Seebrücke, betonierte Hotelkomplexe und ca. die Hälfte abrissreif bzw. nicht vollendet, bei kleineren Häusern scheint zusätzlich ein mannhoher Betonzaun in Irgendwasoptik envogue zu sein. Dafür lässt man auf der anderen Seite ältere Baustruktur verkommen. Gekrönt wird dies mit der Tatsache, dass an den Absperrzäunen im Ort mit Bildern aus den 20-30er Jahren an “bessere Zeiten“ erinnert wird. Den zumeist russischen Besuchern scheint es egal zu sein, gut besucht ist’s.

Also nach kurzer Pause inkl. Einkauf raus aus dem Ort und rauf auf die Kurische Nehrung. Diese ist insgesamt Naturschutzgebiet. Bis zur litauischen Grenze hatten wir noch 50 km zurückzulegen. Die Strecke führte auf einer kleinen Straße durch bewaldetes Gebiet. Leider gab es keinen einzigen Blick auf Ostsee oder Haff. Daher bestiegen wir hierzu eine der Dünen (Müllers Höhe) und wurden auf ca 45 m Höhe für den Aufstieg belohnt. Ansonsten wurde der Weg auf der Nehrung auf russischer Seite lediglich von drei kleineren Orten unterbrochen. Einen hiervon schauten wir uns etwas genauer an. Touristisch war zumindest dieser nicht erschlossen, die Lebensbedingungen überwiegend sehr einfach. Nach ca. 90 km waren wir letztendlich froh, noch rechtzeitig vor Ablauf unseres Visums die Grenze erreicht zu haben. Die bereits bekannte Wartezeit versüßte uns ein Fuchs, der sich uns bis auf zwei Schritte näherte, um offensichtlich nach etwas Essbaren zu betteln. Kurz hinter der Grenze lag in Nidda unser Zielzeltplatz für die Nacht. Da es noch nicht sehr spät war, nutzten wir die Zeit für einen Spaziergang durch den Ort, aßen am Hafen frisch geräucherten Fisch und bestiegen zum Sonnenuntergang eine weitere Düne auf litauischer Seite – traumhaft.

Am vierten Reisetag waren wir nun in Litauen unterwegs. Die ersten 50 km weiterhin auf der Nehrung, die letzten 30 auf dem Festland. Und – es ist traumhaft. Bestens ausgebaute Fahrradwege mit abwechslungsreicher Führung, schöne Natur zu Land sowie an der Küste und auch die Stadt Klaipeda (Memel) nach Übersetzen aufs Festland überzeugt mit historischem Kern und diversen guten Lokalen. Auch die Zeltpätze sind bis dato eher mit deutschen als polnischen Standard zu vergleichen. Insgesamt ist Litauen ein kompletter Kontrast zum eher tristen Streckenabschnitt zuvor in Russland. Wir sind gespannt, ob dies so bleibt und was uns ab morgen in Lettland erwartet…

Geradeaus auf der Kurischen Nehrung in Russland

Geradeaus auf der Kurischen Nehrung in Russland

Typischer Anblick eines russischen Ortes

Typischer Anblick eines russischen Ortes

Der Grenzfuchs

Der Grenzfuchs

Abenddämmerung auf einer Düne in 52 m Höhe

Abenddämmerung auf einer Düne in 52 m Höhe

Toller Radweg auf der Nehrung in Litauen

Toller Radweg auf der Nehrung in Litauen

Altstadtkulisse in Memel, Litauen

Altstadtkulisse in Memel, Litauen

Eurovelo 13-Beschilderung

Eurovelo 13-Beschilderung